Swiss Paralegal Association

Swiss Paralegal Award Gewinnerin 2022 Saskia van Summeren im Interview

Jedes Jahr vergibt die Swiss Paralegal Association den Preis für die beste Abschlussarbeit im CAS Paralegal. Saskia van Summeren, Zollexpertin HF und seit 2003 in diversen Funktionen im Bundesamt für Zoll und Grenzsicherheit (BAZG) tätig, ist die diesjährige Gewinnerin des Swiss Paralegal Awards. In ihrer Abschlussarbeit setzt sich Frau van Summeren mit der «Nacherhebung von Einfuhrabgaben durch die Eidgenössische Zollverwaltung (EZV)», so der frühere Name des BAZG, auseinander. Eleonora Zoratti und Jasmin Cuevas von der Swiss Paralegal Association wollten mehr erfahren.

Frau van Summeren, die Swiss Paralegal Association gratuliert Ihnen herzlich zum Award 2022! Gerne würden wir mehr über Ihre Abschlussarbeit erfahren: diese wirft einen Blick auf die wichtigen, aber den meisten von uns wohl eher wenig bekannten Aufgaben Ihrer Behörde im Bereich der Abgabenerhebung im Handelswarenverkehr. Sie beschreiben, wie es im Rahmen der nachträglichen Korrekturen von Zollanmeldungen in gewissen Fällen zu ungleich langen Spiessen zwischen Zollpflichtigen und Ihrer Behörde kommt. Wie gehen Sie mit diesem Zustand um?

In der Tat kann der Zollpflichtige in Rechtskraft erwachsene Zollveranlagung nicht mehr zu seinen Gunsten abändern, selbst wenn klare Fehler vorliegen, währendem dies der Zoll in bestimmten Fällen noch für 1 oder sogar 5 Jahre nach der Verzollung tun kann. Einerseits ist die Rolle einer Fiskalbehörde natürlich klar: wir müssen geschuldete Abgaben erheben. Andererseits verstehe ich den Unmut, den diese – bundesrichterlich gestützte – Praxis auslöst. Wir vom Zoll versuchen deshalb, im Rahmen der rechtlichen Möglichkeiten so gerecht und verständnisvoll wie möglich zu handeln, insbesondere dann, wenn den Empfänger unserer Post gar kein Verschulden trifft. Konkret bedeutet dies zum Beispiel, dass wir prüfen, ob der Spediteur eine gewisse Verantwortung an der Nacherhebung hat: Hätte er die höhere Zollbelastung beispielsweise verhindern können durch rechtzeitiges Erkennen und durch Korrektur des formell ungültigen Ursprungsnachweises? Dann wenden wir uns mit unserer Forderung zuallererst an ihn. Trifft ihn aber keine Verantwortung, richten wir unsere Forderung an einen der vielen weiteren zur Auswahl stehenden Zollpflichtigen (Warenempfänger, Transporteur, Deklarant, etc.). Meistens gehen wir auf den Warenimporteur zu, weil dieser durch die Falschverzollung einen direkten finanziellen Vorteil hatte und somit «unrechtmässig bereichert» wurde. Er schuldet uns das Geld auch dann, wenn er nichts für den Fehler kann – denn was wir nicht können, ist Abgaben auf eigene Faust zu erlassen. Dies steht uns nicht zu und wäre illegal.

Als Sie sich für den CAS Paralegal anmeldeten, arbeiteten Sie noch als Paralegal in einer Führungsfunktion bei der Zollkreisdirektion in Lugano. Heute machen Sie etwas ganz anders. Wie ist es dazu gekommen?

2019 wuchs in mir das Bedürfnis, für meine langjährige, aber nicht im eigentlichen Sinne zertifizierte Erfahrung als Paralegal einen Nachweis zu erhalten. Deshalb meldete ich mich für den CAS Paralegal der ZHAW an. Kurz danach zeichnete sich ab, dass auch in meiner Organisationseinheit im Rahmen der Transformation der damaligen EZV zum heutigen BAZG grössere Veränderungen bevorstanden. Ich ergriff also die Chance und wurde Chefin einer neu gegründeten Einheit, die aus sechs Gruppen an ebenso vielen Standorten besteht. Wir kümmern uns in allen Sprachregionen um die Lagebeurteilung, die Risikoanalyse bezüglich Waren, Personen sowie Transportmitteln und betreuen das Nachrichtennetzwerk. Momentan überwiegt der Führungsanteil in meiner Rolle deutlich, zumal wir uns mitten in einem äusserst anspruchsvollen Change-Prozess befinden. Ich bin aber zuversichtlich, dass ich die durch den CAS gefestigten Kenntnisse über lang oder kurz wieder vermehrt beruflich nutzen werde.

Können Sie in der heutigen Rolle als «Chefin Risikoanalyse Regionalebenen» dennoch einige der Fähigkeiten einsetzen, die Sie im CAS Paralegal vertieft haben? 

Arbeitet man in der öffentlichen Verwaltung, ist es ist immer gut, sich in Gesetzten und Verordnungen zurechtzufinden. Was momentan bei mir persönlich etwas untergeht, ist das juristische Schreiben.

Von links nach rechts: Patrick Krauskopf/Agon Partners, Stefan Liechti/SPA, Saskia van Summeren, Simon Stufetti/Schulthess Medien, Felix Schraner/ZHAW

Ab Herbst 2023 wird mit der eidgenössischen Berufsprüfung «Paralegal mit eidgenössischem Fachausweis» der Beruf Paralegal endlich in der ganzen Schweiz anerkannt. Sind Sie auch an einem Abschluss interessiert?

Es gibt unzählige Menschen, die bereits diesen Beruf ausüben: in der öffentlichen Verwaltung, bei Advokaturbüros oder auch in der Wirtschaft. Aber weil das Berufsbild nicht bekannt ist, sieht man diese Personen nicht – und manchmal wissen sie selbst nicht einmal, dass sie eigentlich Paralegals sind und nicht «nur» normale Sachbearbeitende mit besonders guten Fertigkeiten. Ich zum Beispiel hatte immer Mühe, meine Rolle zu beschreiben, besonders Zoll-Aussenstehenden. Ich arbeite beim Zoll und bin ausgebildete Zollfachfrau mit Fachausweis und Höherer Fachschule, aber was ich tat, war ja eigentlich etwas ganz Anderes: Ich beschäftigte mich tagein, tagaus mit Beschwerden, Beschwerdeentscheiden, dem Austausch mit Anwälten und Stellungnahmen für Gerichte. Das ist nicht das tägliche Brot der Zollfachleute, die vornehmlich in der Warenkontrolle tätig sind. Erst die Ausbildung zum Paralegal brachte mir die Erkenntnis, dass ich eigentlich schon seit einigen Jahren einen anderen, zusätzlichen Beruf ausübte. Dass dieser nun nach entsprechender Berufsprüfung zertifiziert werden kann, finde ich äusserst positiv. Wir werden sehen, ob auch ich diese Chance ergreifen werde.

Was können Sie unserem Paralegal-Nachwuchs auf den Weg mitgeben?

Bis du sprachlich ein «Tüpflischisser»? Liebst du Streitgespräche und lässt nicht locker, wenn du an die Schlüssigkeit deiner Argumentation glaubst? Findest du Gesetze nicht langweilig, sondern spannend, und möchtest auf dem juristischen Parkett mitreden können? Dann ziehe diese Ausbildung in Betracht. Sie wird dich fordern, aber auch fördern.

17. Juli 2022